Mit einigen hundert Bewegten fand am Freitag auch im Barnim, genauer in Eberswalde, der globale Klimastreik parallel zur Tagung des Klimakabinetts in Berlin und am Vortag des UN-Klimagipfels in New York statt. Doch auch nach den Sommerferien bleibt der Klimastreik von Fridays for Future ein Schaulaufen der konformistischen Besorgten.
Denn was schon im Frühjahr durchbuchstabiert wurde, hat sich nicht geändert: die Forderungen von Fridays for Future sind alles andere als Opposition zur aktuellen Klimapolitik der Bundesregierung. Gefordert wird lediglich die schnellere Umsetzung dieser. Damit stehen die Klimabewegten der politischen Linie von BRD und Weltklimakonferenzen nicht gegenüber, sondern marschieren lediglich ein Stück weiter vorn. Nun mag es berechtigt sein, oder auch nicht, eine schnellere, konsequentere Klimapolitik zu fordern – zur Konsequenz gehört jedoch auch eine Diskussion der Folgen dieses Vorgehens. Und genau jene lässt sich bei Fridays for Future, Ende Gelände und ihrer Apologeten, inklusive derer, die sich als linksradikal bezeichnen, vermissen. Insofern ist die Bundesregierung jenen voraus, welche „What do we want? Climate justice! When do we want it? Now!“ schreien, da sie, wenn auch nur gezwungen, mehr Aspekte mitdiskutiert als schmelzende Polkappen. Während Klimabewegten, gerade auch den älteren, eine infantile Verweigerungshaltung innewohnt, sobald es um das notwendigerweise komplizierte und widersprüchliche Ganze geht, können zur Besonnenheit mahnende aus Wirtschaft und Politik[1] nahezu als Bastion der Verteidigung gegen die Barbarei des blinden Klimaschutzes gesehen werden. Einmal mehr geht es also durchaus darum, jene, welche aus den falschen Gründen zumindest ansatzweise das Richtige zu tun scheinen, gegen die grüne Gutmenschengemeinschaft zu verteidigen bzw. den kritischen Ansatz zu stärken, welchen der Mob mit Panikmache und Denunzierung aus der Diskussion ausschließen möchte. Ein Merkmal von progressiven Bewegungen ist es gerade nicht den Diskurs durch Parolen und die konsequente Forderung nach der Barbarei, in wessen Namen auch immer, zu ersetzen. Genau so wenig sind Forderungen, die den politisch beschlossenen Handlungskonsens um gerade einen Meter überschreiten, radikal sind.
Wenn etwas dieser Bewegung zur Linken dieser Nation passt, dann ist es die messerscharfe Präzision mit der der Gegner ausgemacht und angegriffen wird. Denn es wird sich lediglich in guter deutscher Tradition darin geübt raffend und schaffend zu unterscheiden und, aus der Ohnmacht gegenüber der kapitalistischen Produktionsweise, deren scheinbare Profiteure, insbesondere jene, die als besonders klimaschädlich gelten, als Erzfeinde auszumachen mit deren Entledigung sich das System ändern würde. Die abstrakte Forderung nach einem „system change“ übersetzt sich direkt in „Kohlekonzerne – verkaufen unsere Umwelt – nur für ‘nen Batzen Geld.“ Egal ob im reformistischen oder „antikapitalistischen“ Mantel, unverhohlen ist das Bedürfnis Deutschland und dessen Volk von (vermeintlich) Klimaschädlichem zu reinigen.
Theoretisch wäre eine solche Bewegung gut zu verkraften, wenn es eine breite Linke gäbe, welche aus linksradikaler Perspektive auf die Klimabewegten schauen, kritisieren, diskutieren und eben eine Position vertreten würde, welche sich durch Argumente im Dienste des guten Lebens für alle, oder wenigstens einer Absage an das Politische auszeichnen würde. Denn die Frage lautet wie eine „linke“ Klimapolitik aussieht, bei der niemand hinten runterfällt, weil er sich kein Bio leisten kann. Oder individuelle Freiheiten eingeschränkt werden, mögen sie noch so idiotisch sein, wie das Verlangen doch wenigstens mit dem Porsche im Stau zu stehen, statt mit dem Fiat Panda. Praktisch ist es aber anders: diese breite Linke ist nicht annähernd in der Nähe des Anspruchs im Namen und auch verlässlich dem Bedürfnis im Mob aufzugehen folgend und unter klarer, möglichst einfacher, Parole auf der Straße zu marschieren. Oben klang es schon an, ein Feindbild in regressiv antikapitalistischer Manier sorgt für 30-50% schnelleres Aufgehen in der Marschordnung. Exemplarischsteht dafür, weil im Internet gut nachvollziehbar, die TOP Berlin. Eine Gruppe, welche in Szenekneipe und Internet als Werbeagentur bekannt ist, sich selbst auf Facebook als „lokales Unternehmen“ bezeichnet und darüber hinaus durch die ehrgeizigen Bemühungen bekannt ist der Interventionistischen „Hauptsache in Bewegung“ Linken den Rang im Bewegt-Sein abzulaufen. Wie zu jedem Event, wird was organisiert, oder, wenn sich schon was bewegt, auf den Zug aufgesprungen, die Berlin Kidz könnten da noch was bei lernen. So wurde auch für den Streik am 20. September fleißig mobilisiert, schicke neue Designs gemacht, ein Transpi mit der klangvollen Parole „Blockieren, Sabotieren, Wegrandalieren. Klimawende selber machen“ gepinselt und am Massenaufmarsch durch Berlin teilgenommen. Die Annahme für die TOP handle es sich, ob der zahlreichen Möglichkeiten zum Marschieren mit dem Volk, um ein wahres Erfolgsjahr, liegt ähnlich nahe,
wie die Anmerkung, dass jedes Wochenende drei Nächte Techno und durchgehende Öffnungszeiten im Späti nicht unbedingt Kohlestrom sparen. So viel zum „selber machen“. Genannte Gruppe hat bei solchen Dingen oft die Nase vorn, das muss man ihr lassen, jedoch ist es alles andere als ein Einzelfall, dass sich „links“ bzw. „radikal“ schimpfende Gruppen versuchen sich des Klimas anzunehmen. Da dafür bisher wenig inhaltlich überzeugende Argumente präsentiert wurden, muss man sich den Vorwurf das eigene Bedürfnis nach dem Aufgehen in der Masse des Volkes gefallen lassen. Aufregung und Verwunderung über offene Affirmation gegenüber Staat und Polizei, die eines jeden nostalgischen SED-Fans würdig wäre, gibt es dann gratis für alle zur kritischen Annäherung unfähigen.[2]
Viele Zeichen, wenig Sinn: Über die Ferien hat sich am Stand der Bewegung nichts geändert, an der Bereitschaft sogenannter Linker darüber hinwegzusehen um dabei zu sein auch nicht. Es wird weiterhin nicht für das gute Leben gekämpft, sondern für das schlechte im Namen des Klimas. Wurzeln werden nur gepackt, wenn Vernunftbegabte ob des Anblicks des geeinten Volkes die entstandenen grauen Haare suchen.
[1] Personen, welche sich nicht auf faktischem Boden bewegen sind hier dezidiert ausgeschlossen und nicht teil dieses Textes.
[2] Als Beispiel genügt ein Blick auf Extinction Rebellion Hamburg:
https://twitter.com/xrebellion_hh/status/1175123433157517313